Blick aus der Zukunft

Internet-Redaktion

Hier trafen wir Björn wieder, den jungen Mann, der gestern die Ehrung erhalten hatte.
Er saß mit seinem Computer umringt von der halben Redaktion und dem stellvertretenden Bürgermeister. Hier konnte man einen Blick hinter die Kulissen werfen. 
Er erklärte gerade ein paar Funktionen.
„Hier kann ich einstellen, wer Beiträge und Kommentare schreiben darf. Ich habe zusätzliche Algorithmen programmiert, um möglichst automatisiert prüfen zu können, ob alles regelkonform abläuft.“
„Welche Regeln?“
„Die Software Consul ist ja speziell für unsere Gemeinde eingerichtet. Es sollen nur Einwohner sich daran beteiligen und zwar mit Klarnamen. Hier im Dorf kennen wir uns, wir wollen keine Lügen, Beleidigungen und Pöbeleien, keinen Fremdenhass und Rassismus. Welche Gefahren mit so einem Medium verbunden sind, kennen wir aus der Ära Trump noch sehr gut. Sie erinnern sich doch? Wer etwas zu sagen hat, kann es sachlich und mit offenem Visier tun.“
„Den Namen Consul habe ich gestern schon bei dem Vortrag am Vormittag gehört. Können Sie mir nochmal genauer erklären, was das ist?“
„Consul ist eine freie Open-Source-Software, die extra für Bürgerbeteiligung auf einer Internetplattform geschrieben wurde. Sie kommt ursprünglich aus Spanien, wo in der Hauptstadt Madrid kommunale Fragen diskutiert und schließlich abgestimmt wurden. Von dort hat sie sich über die ganze Welt ausgebreitet, New York, Südamerika, Paris. In Deutschland wurde sie von der NGO „Mehr Demokratie“ propagiert und rasch von vielen Kommunen übernommen. Im Internet und auf der Smartphone-App kann man die Neuigkeiten im Dorf lesen und sich daran beteiligen.
Es ist möglich, Vorschläge, Debatten und Abstimmungen in strukturierter Weise durchzuführen.“
Der Gemeindevertreter schaltete sich ein. „Wir bereiten unsere Sitzungen damit vor. Normalerweise treffen wir uns einmal in drei Monaten und haben dann ein Riesenprogramm zu absolvieren. Das können wir nicht wirklich alles durchdringen oder es bleibt liegen. Mit Consul verteilt sich die Beschäftigung auf die ganze Zeit, kann besser abgewogen und begründet werden, die Argumente sind wortgetreu (und viel besser als im Protokoll) nachzulesen. Es können sich sogar Bürgerstimmen zu Wort melden, sofern es sich nicht um eine Geschlossene Gruppe handelt. Die eigentlichen Arbeitstreffen sind dann meist kurz. Die vorbereitenden Ausschusssitzungen konnten teilweise ganz entfallen. Im Endeffekt wird die Arbeit besser, schneller, bequemer und nach innen und außen transparenter.“
Björn wechselte das Thema. 
„Die Redaktion hat ein paar Ziele:
    • Information im Voraus. D.h. nicht nur eine Sitzungs-Einladung mit trockener Tagesordnung im Glaskasten ausgehängt (die nur wenige lesen), sondern online Erläuterungen, worum es sich handelt, seine Bedeutung und Voraussetzungen usw.. 
    • Engagement fördern. Beteiligungsmöglichkeit ist etwas Selbstverstärkendes. Wenn ich meine Selbstwirksamkeit erlebe, macht das Lust auf mehr. Das funktioniert natürlich nur, wenn meine Beteiligung willkommen ist.
    • Kultur und Dorfgespräch fördern. Veranstaltungen können geplant und angekündigt werden, neue AGs können sich finden und gründen, Hilfe erbeten oder angeboten werden. 
    • Demokratie lernen. Wir werden ja nicht als gelernte Demokraten geboren, das müssen wir lernen wie sprechen und gehen. Denn Demokratie ist nicht ein bestimmter Inhalt, den man auswendig lernen könnte, sondern ein lebendiger, sozialer Prozess. Debattenkultur, sachliche Argumentation, die Achtung vor dem/der Anderen und das Zuhören. Abstimmungen sind dann der Abschlusspunkt. Und auch da kann es sehr verschiedene Formen geben, nicht nur die simple Mehrheitsentscheidung. 
    • Information im Nachhinein. Was wurde aus Entscheidungen/Projekten/Aktivitäten?
Wir möchten also ein vermittelndes Werkzeug im Dorfe sein.“

Torsten sagte zu mir: „Ich glaube, die Bedeutung davon wird einem erst allmählich klar. Es ist ein Verständigungskanal wie das Sprechen. Sprechen ist der zentrale Ausdruck von Zwischenmenschlichkeit.“
„Ja, genau“ antwortete ich „und es hat die gleiche Bedingung: man muss es nutzen, sonst lebt es nicht. Wenn die Menschen nicht miteinander sprechen, bleiben sie sprachlos und fremd.“

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