Teil 2: Handlungsmöglichkeiten

Biodiversität: Ursachen

Was sind die Ursachen dieses dramatischen Verlustes an Artenvielfalt?
Es gibt viele verschiedene Ursachen. 
Den meisten liegt eine innere Haltung von uns Menschen zugrunde (vergl. Abschnitt soziale und kulturelle Aspekte): Natur und Lebewesen haben keinen Eigenwert, sondern nur einen Nutzwert. Deshalb haben wir keine Skrupel, Wald zu roden, neues Bauland zu erschließen, sehr große Flächen gezielt und absichtsvoll so zu behandeln, dass möglichst nur noch bestimmte Kulturpflanzen dort wachsen, Moore trocken zu legen, Straßen und Industrieanlagen zu bauen, Rieselfelder anzulegen, Tiere für Versuche zu quälen und zu töten, Gewässer für die Müllbeseitigung zu nutzen, mit Grundschleppnetzen ganze Korallenriffe einzuebnen, und so fort.
Im Gegenteil: Solche Handlungen wurden und werden als Fortschritt angesehen. Alles, was wirtschaftlichen Vorteil verspricht, ist ein starkes Argument. 
Die Dominanz der Wirtschaft mit ihrer Logik lässt keinen Raum. Die Natur ist keine bewundernswerte Ganzheit sondern Lieferant für Rohstoffe, Bühne für menschliche Aktivitäten, Produktionsstandort und Müllhalde. Natur ist Gegenstand von Eigentumsrecht. "privat" von lat. "privare" = beraubenTiere, Wälder, Mineralien, Gewässer, Pflanzen usw. können Privatbesitz sein. Und mit Privatbesitz kann jeder nach seinem Belieben verfahren (mit kleinen gesetzlichen Einschränkungen).
Es gibt kaum ein Gefühl und Bewußtsein mehr davon, dass wir Menschen Teil dieser Natur sind. Es gibt kaum ein Gefühl von Verantwortung, Fürsorge, oder Pflege der Natur um ihrer selbst Willen (wegen ihres Eigenwertes). Dieses Gefühl kann umso weniger aufkommen, je mehr Arbeitsteilung vorliegt. Jeder kann mit Recht sagen: „Wieso, ich bin doch nur ein Planer/Baggerfahrer/Fischtrawlerausrüster/Automonteur/Börsenmakler/… Ich mache doch nur meine Arbeit.“
Und wo es doch ein solches Gefühl gibt, dann als Form des Outsourcing: für punktuelle Besorgnis sind die Naturschützer zuständig. Mit einer Spende an den BUND ist alles in Ordnung.

Es gibt viele Gärten, gestaltet nach modernen ästhetischen Gesichtspunkten: pflegeleicht (bis hin zu sog. „Schottergärten“) und vor allem „gepflegt“, kurzrasig, aufgeräumt bis in den letzten Winkel, als wäre der Garten die Fortsetzung des Wohnzimmers. Nur ökologisch wertvoll sind sie nicht immer.

Potential: einfach mal wachsen lassen

Weitere Ursachen sind Zerschneidung der Landschaften, Baumaßnahmen, Versiegelungen und Verkehr. Exotische, fremde Tier- und Pflanzenarten werden eingeschleppt, teils gezielt als Zierpflanzen, teils unbeabsichtigt als Begleiterscheinung des Welthandels. Das kann einheimische Ökosysteme massiv verändern, wie am Beispiel Neuseelands zu besichtigen ist.
„Lichtverschmutzung“, d.h. der Verlust von Dunkelheit stört den hell-dunkel-Rhythmus vieler Tier- und Pflanzenarten und führt zu Verhaltensänderungen.

Vor allem aber wird in zahlreichen Studien und Berichten (z.B. vom Weltbiodiversitätsrat (IPBES)) immer wieder die Landwirtschaft als wichtigste Ursache beim Verlust von Biodiversität genannt. So stellt der UNO-Biodiversitätsbericht fest: „Naturschutz ist kein Luxus, sondern eine Existenzfrage“. Auch die Bundesregierung gibt das in einem eigenen Bericht zu.
Der SPIEGEL berichtet am 12.10.2020:

In ihrem Bericht zu "Biodiversität und Management von Agrarlandschaften" beschreiben die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina, die Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften die Folgen der Landwirtschaft für Pflanzen, Insekten und Vögel.
"Der Rückgang der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft ist so dramatisch, dass in Zukunft ernsthafte Folgen für die Funktionsfähigkeit der Agrarökosysteme und für das Wohlergehen des Menschen zu erwarten sind", heißt es in dem Papier, das dem SPIEGEL vorliegt.
"Die Situation ist dramatisch, der Handlungsbedarf akut. Auch deshalb wird es nicht genügen, nur einzelne Komponenten des Systems der Agrarlandschaft zu verändern. Es bedarf eines gesamtgesellschaftlichen Wandels hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft."

(Liebe Grebiner Landwirte: ich spreche hier nicht über Sie persönlich, sondern über das System Landwirtschaft. Siehe unten Abschnitt „Konfliktfeld Landwirtschaft“). 
Inzwischen ist teilweise die Artenvielfalt in manchen Städten höher als auf dem Land.
Innerhalb der politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gibt es einen Zielkonflikt zwischen maximaler Ertragssteigerung und Artenvielfalt. Bislang hat letztere verloren.

Potential: Rahmenbedingungen ändern


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