Teil 2: Handlungsmöglichkeiten

Sprache und Begriffe: Leistung

Leistung hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Leistung ist etwas Positives, wer etwas leistet, ist gut angesehen. Und umgekehrt haben diejenigen ein schlechtes Image, die angeblich nichts oder wenig leisten. Häufig wird davon gesprochen, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben und wir nach unserer Leistung bezahlt werden sollten.
Der Begriff der Leistungsgesellschaft ist hoch problematisch. Er setzt stillschweigend voraus, dass alle wissen, worin eine konkrete Leistung besteht, was sie wert ist und wem sie zugerechnet werden soll. Das ist aber keineswegs der Fall. Wir wissen eben meistens nicht, worin eine Leistung konkret besteht, was sie wert ist und wem sie warum zugerechnet werden soll.
Wie viel ist die  Zuwendung einer Mutter wert? Worin besteht die konkrete Leistung eines - sagen wir mal - Abteilungsleiters? 
Wie kann Leistung überhaupt gemessen werden? Ist eine Leistung immer positiv oder nicht auch manchmal schädlich, z. B. wenn ein Moor umgepflügt und in ein Maisfeld verwandelt wird? Wie ist eine Leistung abzugrenzen, d.h. welche Folgen einer Handlung sind dem Handelnden zuzurechnen? Und sind unbeabsichtigte (womöglich schädliche) Nebeneffekte ebenfalls Teil der Leistung?
Die sogenannten Leistungsträger sind längst nicht immer auch diejenigen, die eine Leistung erbringen. Wenn man nach den Leistungsträgern in einer großen Firma fragt, denkt man selten an die einfachen Mitarbeiter.
Viel häufiger ist also der umgekehrte Fall: Weil jemand viel Geld erhält (das Wort „verdienen“ wird hier bewusst vermieden), unterstellen wir ihm eine große Leistung. Leistungsträger werden an ihrem Bankkonto und nicht an ihrer Leistung erkannt. 
Der Erwerb und die Akkumulation von Reichtümern beruht auf vielen gesellschaftlichen Voraussetzungen. Viele Gesellschaften und noch mehr Generationen haben gearbeitet und gewirkt, daß die heutigen Möglichkeiten des Erwerbs überhaupt existieren. Dazu gehören z.B. das Rechtswesen, staatliche Infrastrukturen, Geldwesen, eine politische Kultur, die ein Privateigentum und Zinsen grundsätzlich akzeptiert, Handelsstrukturen, gemeinsame Grundlagen von Werten, Bildung, Gesundheit, Wissenschaft und vieles mehr. Das alles ist keineswegs selbstverständlich!
Unzähligen Wissenschaftlern und Ingenieuren ist es zu verdanken, dass uns heute Maschinen viel Arbeit abnehmen können. Es wird ganz selbstverständlich vom staatlichen Schulwesen verlangt, dass die Schüler für betriebliche (also privatwirtschaftliche) Aufgaben vorbereitet werden - auf Kosten des Steuerzahlers. Oder dass Subventionen gezahlt werden. 
Hier liegt eine historische Gemeinschaftsleistung zugrunde, deren Nutzen auch der Gemeinschaft zugute kommen muss, indem alle von den Erträgnissen bekommen und weniger arbeiten müssen.
Hinzu kommt, was wir an Vorteilen aus anderen Ländern abgezogen haben und noch abziehen.
Es gibt in der heutigen Wirtschaft praktisch keine rein "eigene Leistung" und „Leistungsträger“ mehr! Es ist Vermessenheit, die heutige zum Teil skandalös ungerechte Verteilung mit angeblich eigener Leistung zu begründen. 


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