Kultur und Sprache

Sprache und Begrifflichkeit dienen nicht nur der reinen Informationsweitergabe, sondern sie bedingen weitgehend unsere Wahrnehmung und Beurteilung der Welt.

Dinge, für die wir keine Begriffe haben, werden leicht übersehen, sind unwichtig und können nicht mitgeteilt werden. Wir nehmen dadurch recht selektiv die Welt wahr und merken noch nicht einmal, wie "lückenhaft" unsere Weltsicht ist. Was der berühmte "Blinde Fleck" im Auge ist, das sind fehlende bzw. einseitig belegte Begriffe auf mentaler Ebene.

Umgekehrt wirken einige Begriffe oft wie ein Filter, blenden manche Bedeutungen aus und kanalisieren andere Bedeutungen. Sie sind "besetzt" mit positiven oder negativen Bewertungen bzw. sie besetzen uns, so dass wir unwillkürlich eine bestimmte Haltung einnehmen. Die impliziten Wirkungen sind enorm – je unbewusster desto mehr.

Z.B. wird der Begriff "Wachstum" sehr häufig im Zusammenhang mit Wirtschaft gebraucht und verstanden. Die Herkunft des Begriffes aus der Lebenswelt taucht dann nicht mehr auf.

Weitere Beispiele für solch problematische Begriffe:
Arbeit, Arbeitsplätze, Arbeitslosigkeit, Arbeitgeber, Freizeit, Leistung, Leistungsgesellschaft, Gegenleistung, Eigentum, Privateigentum, gehören, Scheingegensätze wie Kapitalismus – Sozialismus, Dichotomien wie Objekt – Subjekt, Ursache-Wirkung, Effizienz, Konkurrenz, Wettbewerb, Markt, Globalisierung, Liberalismus, Zielorientierung, Einsparung, Demokratie, Wert, Mehrwert, Wertschöpfung, Geld, verdienen (Geld), Finanzindustrie, Wirtschaft, Zeit, Energiewende, Nachrüstung, Entsorgung, Gewinnorientierung, Geschäftsmodell, Wachstum, Lebensstandard, Wohlstand, BIP, Ressource

Gesellschaftlicher und kultureller Wandel, der neue Dinge ins Auge fassen will, hat es schwer ohne entsprechende Begriffe. Notgedrungen bedient man sich der vorhandenen Begriffe und hat seine liebe Mühe mit ständigen Umschreibungen, um das Neue dabei auch herausstellen zu können. Gäbe es doch neue Begriffe und verstünden die Gesprächspartner sie auch – wie viel leichter und reicher wäre der gesellschaftliche Diskurs mit treffenden neuen Argumenten.

Es gibt tatsächlich solch neue Begriffe - manchmal noch recht versuchsweise -, die für die Debatte gesellschaftlicher Entwicklung nützlich werden könnten. Einige finden Sie hier.


zum Seitenanfang