Beispiele für neue Begriffe


Allmende (Commons)

Anthropozän

Buen Vivir

Commoner

Commons (Allmende)

commoning

Creative Commons

Degrowth

Ecommony

Einhegung

Emergenz

enkeltauglich

Ernährungssouveränität

Gabe

gemeinschaffen (commoning)

gemeinstimmig

Gemeinwesenökonomie

Gemeinwohlökonomie

Genossenschaften

Gleichwürdigkeit

Glücksökonomie

kulturkreativ

Landgrabbing

Lassenskraft

Lokale Ökonomie

Megamaschine

megatechnischer Pharao

mehr-als-menschliche Welt

mentale Infrastrukturen

Nachhaltiges Wirtschaften

Open Source

Peer Economy

pflegnutzen

planetare Grenzen

Planetin, die

radikal

Resilienz

Resonanz

Schenkökonomie > Gabe

Shareconomy

Solidarische Ökonomie

Soziale Ökonomie

Soziokratie

strukturelle Gewalt

Subsistenz

teilgeben

Transition Town

Allmende (Commons)

In der Bedeutung von »allen (Gemeindemitgliedern) zukommend« bezeichnete das Wort bis in jüngste Zeit die im Eigentum von Dorfgemeinschaften stehenden, gemeinsam bewirtschafteten Wei­den und Wälder.

Heute benennt Allmende – wie das englische Commons* – jegliches materielle (Luft, Wasser, Land, mineralische und organische Lebensquellen, Werkzeuge etc.) wie immaterielle (Raum, Stille, Arten­vielfalt, Kultur, Wissen, Gemeinschaft, Sicherheit etc.) Gut, das gemeinschaftlich pfleggenutzt* oder in einem Prozess des Gemeinschaffens* hervorgebracht und erhalten wird.

Die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom (1933–2012) erforschte die Prinzipien und Haltungen, die ge­lingende Allmenden ermöglichen, und widerlegte so die durch Garrett Hardin (1915–2003) verbrei­tete Mär von der »Tragik der Allmende«.

Anthropozän

So nennt Paul J. Crutzen das Zeitalter, in dem der Mensch als wesentlicher Beeinflusser biologi­sche, geologische und atmosphärische Pozesse der Erde formt (von griechisch anthropos, »Mensch«, und kainos, »neu«). Es beginnt mit der Industrialisierung um 1800, jedoch dürfte schon das Aufkommen des Ackerbaus im Neolithikum Auswirkungen auf Klima und Ökologie unserer Planetin* gehabt haben.

Buen Vivir

Der Begriff stammt aus Ecuador und Bolivien und knüpft an indigene Lebensweisen und religiöse Vorstellungen von einem »guten Zusammenleben« in Gemeinschaft und im Einklang mit Pachama­ma, der Mutter Natur, an. In beiden Ländern wurde Buen Vivir als Staatsziel in die Verfassung auf­genommen. In Ecuador hat Pachamama eigene verfassungsmäßige Rechte, während in der Verfas­sung Boliviens auch die industrielle Nutzung natürlicher Ressourcen verankert ist. Buen Vivir stellt zerstörerische Wachstums- und Fortschrittskonzepte in Frage; zugleich beinhaltet es das Risiko der Romantisierung von indigener Armut, traditionellen Geschlechterrollen und lokalen Herrschafts­strukturen.

Commoner

In mittelalterlichen England wurden die Eigentümer gemeinschaftlicher Landrechte als commoners bezeichnet. Heute benennt der Begriff gemeinschaffende* Menschen, die sich einer bestimmten ma­teriellen oder immateriellen Allmende – einem Commons* – zueignen.

Commons (Allmende)

Wenn Menschen gemeinschaftlich Ressourcen bewirtschaften – Land oder Gewässer, technische Anlagen oder Wissen – und wenn sie sich dafür Regeln geben, dann werden die Ressourcen zu Commons und die Menschen zu Commoners. So etwa beschrieb es die US-amerikanische Wissen­schaftlerin und Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom (1933–2012), die über viele Jahre erforschte, wie es Gemeinschaften gelingt, diese Nutzung so zu organisieren, dass die Ressourcen vor Übernutzung und Zerstörung bewahrt werden und dauerhaft für ihre Mitglieder zur Verfügung stehen. Der Be­griff »Commons« wird häufig mit »Gemeingüter« übersetzt, das Wichtigste ist jedoch der soziale Prozess.

Ein inzwischen auch im Deutschen gebräuchlicher Begriff für »Allmende«* oder »gemeinsames Gut« (von englisch common, »allgemein«, »gemeinsam«). Für ein radikal auf Commons basieren­des Gesellschaftssystem schlägt Johannes Heimrath den Begriff »Commonie« vor; die an den ge­meinsam pfleggenutzten* Allmenden teilhabenden Menschen nennt er »Commonen«. Dabei stülpt sich der Eigentumsbegriff um: Ein Commons ist nicht Eigentum von jemandem. Es gehört vielmehr sich selbst, und die Commonen gehören dem Commons an.

commoning

Das Verb – deutsch: »gemeinschaffen« – drückt das prozesshafte Wesen des Pflegnutzens* von All­menden* aus: Commons* sind nicht ein für allemal gegeben, sondern werden durch kontinuierli­ches gemeinschaftliches Sorgen genährt, erhalten und erschaffen.

Creative Commons

Eine gemeinnützige US-amerikanische Organisation mit weltweiten Ablegern entwickelt eine Viel­falt von Creative-Commons-Lizenzen. Diese ermöglichen denjenigen, die immaterielle Güter wie Texte, Bilder, Musik oder Baupläne geschaffen haben, sehr differenziert festzulegen, was diejeni­gen, die diese Werke nutzen möchten, damit tun dürfen – zum Beispiel weitergeben, verändern, ver­kaufen etc. Am häufigsten ist wohl die Erlaubnis zur nichtkommerziellen Nutzung unter Nennung des Namens des Urhebers oder der Urheberin. Die Creative-Commons-Lizenzen selbst haben eine kommerzielle Intention und wurden zur besseren Vermarktung geistigen Eigentums entwickelt.

Degrowth

Der Begriff, oft mit »Postwachstum« übersetzt, meint Wachstumsrücknahme und knüpft an die Stu­die »Die Grenzen des Wachstums« des Club of Rome von 1972 an. Die aktuelle Degrowth- oder Decroissance-Bewegung kommt aus Frankreich. Sie möchte der zerstörerischen Ausbeutung natür­licher Ressourcen einen alternativen Gesellschaftsentwurf entgegensetzen, der auf lokalem Wirt­schaften basiert. Die beiden großen Konferenzen in Deutschland zu diesem Thema – im Mai 2011 an der TU Berlin und im September 2014 an der Universität Leipzig – wurden von Interessierten geradezu überrannt.

Spätestens seit dem Bericht an den Club of Rome »Die Grenzen des Wachstums« (1972) ist klar, dass stetiges Wirtschaftswachstum nicht nur ein illusorischer, sondern auch ein pathologischer (»krankhafter«) Zustand ist. Degrowth-Denker wie E. F. Schumacher, Ivan Illich, André Gorz, Her­man Daly oder Niko Paech setzen deshalb nicht auf eine Wende hin zu »qualitativem Wachstum«, sondern auf ­radikale* Schrumpfung: Entwachstum, Postwachstum, ­Wachstumsrücknahme.

Ecommony

Der Begriff stammt von Friederike Habermann. Sie versteht darunter Ansätze einer Ökonomie auf der Basis von Commons, die nach den Prinzipien des Beitragens statt des Tauschens funktioniert, und die schon heute gelebt werden kann. Dabei hat sie insbesondere die Sorgearbeit im Blick.

Einhegung

Die Privatisierung (von lateinisch privare, »rauben«) von Allmenden* im konkreten wie im übertra­genen Sinn. Die Patentierung genveränderten Saatguts zählt ebenso dazu wie die Einzäunung mit­telalterlichen Weidelands. In England begann die Einhegung (enclosure) im 11. Jahrhundert, um 1830 war dort das Allmendeland so gut wie verschwunden. Nach diesem Vorbild wurde im 18. und 19. Jahrhundert die »Verkoppelung« im Königreich Hannover durchgeführt.

Emergenz

Der Begriff aus der Systemtheorie bezeichnet das oft überraschende ­Erscheinen (von lateinisch emergere, »auftau­chen«) von Neuem in einem System, das allein aus den Eigenschaften des Bestehenden nicht vor­ausgesagt werden kann. So kann das Leben überhaupt als Emergenz-Phänomen gesehen werden, das sich überraschend aus der Substanz der Erde herausentwickelt hat. Emergenz führt auch in sozia­len Interaktions­prozessen zu neuen Gestaltungen, die mit analytischen Methoden nur unvoll­kommen beschrieben werden können, wie etwa die Entstehung einer »digitalen Öffentlichkeit« oder die Welle nationalkonservativer Parteigründungen in den wohlhabenden Staaten Europas oder die Metamorphose einer Raupe zum geflügelten Insekt.

enkeltauglich

Der Begriff »enkeltaugliche Zukunft« tauchte erstmals im Zusammenhang mit der »Kinderagenda für Gesundheit und Umwelt 2001« des »Netzwerks ­Kindergesundheit und Umwelt« auf, das damit das Wort »Nachhaltigkeit« plastisch und begreifbar machen wollte. Das Wort scheint elf Jahre im Untergrund überdauert zu haben, bis das Jugendfestival »Morgen­land« im Jahr 2012 die »enkel­taugliche Zukunft« zu seinem Motto machte und Harald Welzer im Sommer jenes Jahrs den Aus­druck gegenüber Lara Mallien und Johannes Heimrath beiläufig erwähnte. Seitdem ist »enkeltaug­lich« zu einem Kernbegriff des Anliegens der Zeitschrift Oya geworden und hat inzwischen sogar Eingang in den allgemeinen Wortschatz gefunden. Über den Begriff »nachhaltig« hinaus macht »enkeltauglich« eine qualitative Aussage darüber, was durch bewusstes Handeln in der Gegenwart für die Zukunft bewahrt werden soll: das gute Leben* für unsere Kinder und Enkel inmitten einer intakten mehr-als-menschlichen Welt* – am besten, so sagen die nordamerikanischen Indigenen – für sieben kommende Generationen.

Ernährungssouveränität

Im Unterschied zur Ernährungssicherung, die bedeutet, dass alle Menschen genug zu essen haben sollen, meint Ernährungssouveränität, dass alle Menschen das Recht und die reale Möglichkeit ha­ben sollen, über ihre Ernährung selbst zu entscheiden und für sie zu sorgen. Die internationale Ver­einigung von Kleinbauern und -bäuerinnen sowie Landlosen, Via Campesina, fordert dies schon lange. 2008 empfahl der Weltagrarbericht Ernährungssouveränität als Strategie gegen den Hunger. Landgrabbing und die Zunahme der agroindustriellen Landwirtschaft verhindern dies jedoch.

(Neo-)Extraktivismus

Usrpünglich bezeichnete Extraktivismus (von lateinisch extrahere, »herausziehen«) die subsistente* Wirtschaftsweise inidgener Völker, die dem Naturhaushalt nur das entnahmen, was den Gesamtor­ganismus nicht schädigte. Im Zug der Globalisierung hat sich die Bedeutung ins Gegenteil verkehrt: Heute versteht man unter (Neo-)Extraktivismus den kolonialistischen Raubbau an den Schätzen der Erde und darüber hinaus die auf kapitalistischer Verwertungslogik basierende totale Ausbeutung des Lebendigen. So sind auch die industrielle Landwirtschaft oder die Einhegung* von Wissen extrakti­vistische Verfahren.

Gabe

Die kapitalistische Verwertungslogik westlicher Prägung ist nicht die Norm, sondern ein seltsamer Ausschlag menschlichen Verhaltens. Weithin haben Menschen ihre Bedürfnisse durch »Schenköko­nomie« gedeckt. Dabei wird nicht aus der Absicht do ut des (lateinisch, »ich gebe, damit du geben mögest«) heraus gegeben, sondern aus dem Selbstverständnis, dass letztlich alles, was wir haben und sind, aus Geschenken der Erde und ihrer Geschöpfe hervorgeht: unsere Nahrung, unser Körper, gegenseitige Fürsorge, das Leben schlechthin. Die US-amerikanische Sprachwissenschaftlerin ­Ge­nevieve Vaughan sieht den Menschen nicht als Homo oeconomicus, sondern als Homo donans und als mothering species, als schenkende, nährende (mütterliche) Spezies. Kulturübergreifende Bei­spiele für Schenkökonomie finden sich in den Arbeiten der Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth (»Der Weg zu einer egalitären Gesellschaft«), der Subsistenzforscherin Veronika Benn­holdt-Thomsen (»Geld oder Leben«) sowie den jeweils »Die Gabe« betitelten Büchern des französi­schen Ethnologen Marcel Mauss (1923/24) und des US-amerikanischen Schriftstellers Lewis Hyde (1983).

gemeinschaffen > commoning

Eine deutsche Übersetzung des englischen Begriffs commoning, der den prozesshaften Charakter von Allmenden* ausdrückt: »There is no commons without commoning«, schrieb der Historiker Pe­ter Linebaugh.

gemeinstimmig

Ein im Verlauf einer Wortwerkstatt auf der Degrowth-Konferenz 2014 in Leipzig gefundenes Attri­but für eine – jenseits von Mehrheitsbeschlüssen – gemeinsam gefasste Entscheidung.

Gemeinwesenökonomie

Unter Gemeinwesenökonomie wird eine Wirtschaft »von unten« verstanden, die lokale Bedarfe auf der Basis solidarischer Netzwerke erfüllt. Der Begriff kommt aus der kritischen Sozialarbeit, die Menschen zur Selbstorganisation befähigen möchte, und gleichzeitig auf eine Kritik und Verände­rung entmündigender gesellschaftlicher Verhältnisse abzielt.

Gemeinwohlökonomie

Es gibt viele Ansätze für eine Wirtschaft, die dem Gemeinsamen statt privaten Profitinteressen dient. Aktuell wird unter Gemeinwohlökonomie meist der Ansatz von Christian Felber verstanden, bei dem Unternehmen sich über ihre Praxis austauschen und Gemeinwohlbilanzen erstellen. Diese sollen abbilden, wie weit es gelingt, die unternehmerische Tätigkeit nicht nur nach ökonomischen, sondern auch nach ökologischen, sozialen und demokratischen Zielen auszurichten.

Genossenschaften

Genossenschaften sind Unternehmen im Eigentum ihrer Mitglieder, nicht irgendwelcher Investoren. Sie wirtschaften für ihre Mitglieder entweder zur Selbstversorgung oder indem die Mitglieder ge­meinsam am Markt handeln und durch die gemeinsame Größe Vorteile haben, die einzelne nicht hätten. Die Mitglieder beteiligen sich mit einer Einlage an ihrer Genossenschaft, die nicht am Kapi­talmarkt handelbar ist. Unabhängig von der Höhe der finanziellen Beteiligung hat in der Regel jedes Mitglied eine Stimme. Der Genossenschaftsgedanke der gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Selbsthilfe wird oft auch in anderen Rechtsformen umgesetzt, obwohl die Genossenschaft sich am besten für solidarisches Wirtschaften eignet.

Gleichwürdigkeit

Gleichwürdig bedeutet sowohl »von gleichem Wert« (als Mensch) als auch »mit demselben Re­spekt« gegenüber der persönlichen Würde und Integrität des Partners. In einer gleichwürdigen Be­ziehung werden Wünsche, Anschauungen und Bedürfnisse beider Partner gleichermaßen ernst ge­nommen und nicht mit dem Hinweis auf Geschlecht, Alter oder Behinderung abgetan oder ignoriert. Gleichwürdigkeit wird damit dem fundamentalen Bedürfnis aller Menschen gerecht, gesehen, ge­hört und als Individuum ernst genommen zu werden.

Die „Gleichwürdigkeit“ ist das Leitbild einer Beziehungskultur.

Glücksökonomie

Spätestens seit Richard Wilkinson vor einigen Jahren herausfand, dass gesellschaftliche Ungleich­heit negative psychische Folgen für alle Beteiligten hat und dass umgekehrt mehr Gleichheit zu mehr Glück führt, wird zunehmend diskutiert, wie eine solche Glücksökonomie funktionieren könn­te. In diesem Zusammenhang wird oft, mitunter recht unkritisch, auf das Bruttonationalglück in Bhutan Bezug genommen.

kulturkreativ

In Abgrenzung zu »Modernisten« und »Konservativen« identifizierten der Soziologe Paul H. Ray und die Psychologin Sherry Ruth Anderson 1995 ein drittes Bevölkerungssegment in westlichen Gesellschaften: die »Kulturkreativen« (nicht zu verwechseln mit dem zeitgleich aufgekommenen Begriff der »kreativen Klasse« des Ökonomen Richard Florida). Kulturkreative sind Präger und Ge­stalter einer Kultur des guten Lebens im umfassenden Sinn. In ihrem jeweiligen Umfeld gelten sie als Vordenkerinnen, die Alternativen zur gegenwärtigen extraktivistischen Verwertungslogik vor­wegnehmen. Sie verkörpern Haltungen, die durch authentisches Engagement, eine ökologische und vernetzte Denkweise, eine Betonung von Verbundenheit, Beziehungskultur und weichen Qualitäten sowie egalitären, gemeinschaftsbasierten Gesellschaftsformen gekennzeichnet sind.

Landgrabbing

Auch »Landraub« oder »Landnahme« genannt, bezeichnet landgrabbing eine – ungesetzliche oder gesetzlich sanktionierte – Form der großflächigen und langfristigen Einhegung*, Aneignung und Privatisierung (von lateinisch privare, »rauben«) von Grund und Boden durch Konzerne, Privatper­sonen oder Regierungen. Die verheerendsten Auswirkungen solcher Eigentumskonzentration gibt es in Ländern des globalen Südens, doch auch im gesamten europäischen Raum – insbesondere in Ost­deutschland und Osteuropa – haben sich Landraub und Bodenspekulation in den vergangenen Jahr­zehnten dramatisch beschleunigt. In der EU befinden sich gegenwärtig 50 Prozent des Lands im Be­sitz von 3 Prozent der Bevölkerung. In Großbritannien werden sogar 70 Prozent des Bodens von nur einem Prozent der Bevölkerung kontrolliert. Für Deutschland existieren keine gesicherten Zahlen, da es hierzulande fatalerweise keine Grundeigentümerstatistik gibt!

Lassenskraft

Die Kraft, Gewohnheiten loszulassen, Einmischung zu unterlassen, Autopoiese* nicht zu stören, dem Leben schädliche Handlungen zu beenden, eine Haltung der Gegenwärtigkeit zu üben und so fort. Der Begriff wurde dem Theaterpädagogen Dominik Werner von einer Seminarteilnehmerin ge­schenkt und von uns ins Wörterbuch des Menschen aufgenommen.

Die Qualität, etwas mit ganzer Kraft gehen zu lassen und in seinem So-Sein zu bejahen, ohne daran anzuhaften oder es dem Schema der eigenen Vorstellungen unterwerfen zu wollen. Der Begriff wur­de der Oya-Redaktion von Dominik Werner geschenkt, der ihn wiederum von einer Seminarteilneh­merin bekommen hatte (siehe Kapitel 4 in Ausgabe 40).

Lokale Ökonomie

In Großbritannien war lokale Ökonomie seit Beginn der 1980er Jahre ein Gegenentwurf zum von der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher beharrlich propagierten, vermeintlich alterna­tivlosen Marktfundamentalismus. Eine lokale Ökonomie deckt lokale Bedarfe mit lokaler Arbeit und weitgehend lokalen Ressourcen ab. Jedoch ist jede Wirtschaft heute auch in die globale Ökono­mie eingebunden. Das Lokale ist nicht immer besser, es kommt auf weitere soziale und ökologische Kriterien an. Die räumliche Nähe erleichtert jedoch Einblicke, soziale Beziehungen und Vertrauen.

Megamaschine

In seinem Werk »Der Mythos der Maschine« prägte der Universalgelehrte Lewis Mumford diese unter anderen von Erich Fromm, Rudolf Bahro und Fabian Scheidler aufgegriffene Metapher für das totale Um-sich-Greifen der Mechanismen extraktivistischer* Verwertung und die daraus entste­hende Spirale struktureller Gewalt*.

megatechnischer Pharao

Ein von dem Philosphen Jochen Kirchhoff geprägter Begriff, der die »Megamaschine«* in einer zu absolutem Gehorsam zwingenden Götzengestalt personifiziert. Um die uferlose Macht dieser Kunstfigur zu fühlen, muss man sich nur vergegenwärtigen, wieviele Lebewesen an Land (ein Drit­tel aller Arten) und in den Ozeanen (90 Prozent der Großfische verschwunden, die Hälfte der Koral­len abgestorben), Individuen (mehr als 16 000 Kinder sterben täglich an Hunger) und Landschaften (4,5 Millionen Hektar Bodenverlust jährlich durch Erosion) ihr im Namen angeblich alternativlosen Fortschritts tagtäglich geopfert werden.

mehr-als-menschliche Welt

Der Kulturanthropologe David Abram entwickelte den Begriff in seinem Buch »Im Bann der sinnli­chen ­Natur«. Der Terminus beendet die Herabwürdigung nicht-mensch­licher Lebewesen durch den trennenden ­Begriff »Natur« und führt den Menschen auf den Rang lediglich eines der Myriaden von gleichwürdigen Teilhabenden an der Lebenssphäre unserer Planetin* zurück. Die mehr-als-mensch­liche Welt findet Ausdruck in dem von dem Phänomenologen Maurice Merleau-Ponty als »Fleisch der Welt« bezeichneten Zusammenspiel aller Wesen.

Anders als der überholte »Natur«-Begriff schließt die mehr-als-menschliche Welt den Menschen in die große Gemeinschaft des Lebens ein, anstatt ihn jenseits oder außerhalb einer »natürlichen Welt« zu verorten. Geprägt wurde der Begriff von David Abram in seinem Buch »Im Bann der sinnlichen Natur«.

mentale Infrastrukturen

Analog zu materiellen Infrastrukturen – Autobahnen, Stromversorgung, Stoff-, Waren- und Gelds­tröme usw. – erkannte der Sozialpsychologe Harald Welzer in unserem Mind* verinnerlichte, men­tale Infrastrukturen, die – meist unbemerkt – unser Denken, Wollen und Handeln prägen. Diese in jedem Menschen wirkende Konditionierung zu erkennen, ist entscheidend, um den eigenen Lebens­stil bewusst verändern und gestalten zu können. Eine zukunftsfähige Gesellschaft des guten Lebens entsteht nicht durch grüne Technik oder abstrakte Klimaziele, sondern durch mündige, aufgeklärte Individuen, die aus einer Verbundenheit mit dem großen Haushalt des Lebens heraus denken und wirksam sind.

Nachhaltiges Wirtschaften

Nachhaltiges Wirtschaften geht auf den 1987 veröffentlichten Bericht der von der UNO initiierten internationalen Brundtland-Kommission zurück. Mit der Verabschiedung der Agenda 21 auf der Klimakonferenz in Rio de Janeiro 1992 wurde es offizielles Politikziel. Nachhaltiges Wirtschaften soll die Bedürfnisse der Menschheit heute befriedigen und dafür sorgen, dass dies auch für zukünf­tige Generationen möglich ist. Der Begriff ist sehr vage und wird oft als inhaltsleere Floskel ver­wendet.

Open Source

Der Begriff kommt aus der Welt des Programmierens und bedeutet, dass der Quellcode von Compu­terprogrammen offen ist. Interessierte können ihn nutzen und weiterentwickeln – meist in großen Communitys. Das Open-Source-Prinzip wird heute auch in anderen Bereichen angewendet, zum Beispiel bei technischen Zeichnungen. Mitunter gilt Open Source als Vorbote einer neuen Ökono­mie jenseits des Kapitalismus. Jedoch werden Open-Source-Produkte auch kommerziell eingesetzt. Der Begriff »Freie Software« meint Ähnliches.

Paradigma

Das Denkmuster bzw. das Mindset* einer Zeit bzw. Gesellschaft, das zu Welterklärungsmodellen sowie wissenschaftlichen und ökonomischen Lehrmeinungen führt. Der Übergang vom herrschen­den zu einem neuen Paradigma – etwa der vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild, von der Physik Newtons zur Quantenphysik oder vom Konsumismus zum enkeltauglichen* Leben – wird als »Paradigmenwechsel« bezeichnet. Die Mechanismen solchen Wandels hat Thomas S. Kuhn in dem Buch »Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen« beschrieben.

Peer Economy

Diese Ökonomie »unter Gleichen« basiert vor allem auf dem freien Austausch von Wissen jenseits des Markts. Beispiel ist die Freie Software. Yochai Benkler prägte den Begriff der »Commons Ba­sed Peer Production«. Christian Siefkes befasst sich mit der Frage, wie eine solche Ökonomie auch über den Bereich des Wissens hinaus in der materiellen Welt funktionieren kann und welche sozia­len Aushandlungsprozesse dafür notwendig wären.

pflegnutzen

Die Vebindung der Tätigkeiten »pflegen« und »nutzen« bringt zum Ausdruck, dass mit dem Nutzen einer bestimmten Lebensquelle (=Ressource) pflegerische Verantwortung einhergeht. Im Gegensatz zu »nutzpfle­gen« betont diese Wendung die Notwendigkeit des Pflegens vor dem Nutzen-Können. Konsequen­tes Pflegnutzen schließt Übernutzung aus. Beispiele pflegnutzender Gesellschaften sind pastorale Kulturen*.

planetare Grenzen

Bereits 1972 zeigte der Club of Rome die Grenzen des Wachstums auf. Das Stockholm Resilience Center teilte 2009 die ökologischen Grenzen der Erde in neun Bereiche (Planetary Boundaries) ein. In den Bereichen Artenvielfalt, Stickstoffkreislauf und Klima sind die planetaren Grenzen bereits überschritten. Der Bereich Ozeanversauerung ist kurz davor, die Belastungsgrenze zu erreichen.

Planetin, die

Die weibliche Form drückt aus, dass die Erde ein mütterlicher Organismus ist und wir ihre Kinder sind. Traditionelle Kulturen personifizieren die Erde als Muttergottheit. Modernen Ausdruck findet dies in der durch James Lovelock und Lynn Margulis formulierten »Gaia-Hypothese« – benannt nach der griechischen Erdmutter Gaia –, die die Erde als selbstregulierenden, autopoietischen* Or­ganismus anerkennt.

radikal

Oft fälschlicherweise mit »extrem« gleichgesetzt, bedeutet radikal (von lateinisch radix, »Wurzel«, »Ursprung«) »wurzeltief«. Veränderungen, die nicht an der Wurzel ansetzen, sind oberflächlich. Im gesellschaftlichen Zusammenhang wird oberflächlicher Wandel als »Reform«, radikaler Wandel als »Revolution« (von lateinisch revolutio, »Umdrehung«, »Zurückwälzen«) bezeichnet. Durch die Schreibweise »(R)Evolution« wird diese Wandlungsbewegung nicht beliebig, sondern zur evolutio­nären Weiterentwicklung.

Resilienz

Unter Resilienz wird die Fähigkeit von Individuen oder Gemeinschaften verstanden, auch schwie­rigste Bedingungen gut oder gar gestärkt überstehen zu können. Vor allem die Transition-Town-Be­wegung möchte resiliente Regionen entwickeln. Dies kann als Zuwachs an autonomer Lebensge­staltung, aber auch als entpolitisierende Vorbereitung auf erwartbare Katastrophen verstanden wer­den. Resilienz möchte vorhandene Stärken entwickeln, kann jedoch auch dem Trend zur unkriti­schen Selbstoptimierung folgen.

Resonanz

Mit dem Begriff der Resonanz versucht der Soziologieprofessor Hartmut Rosa, gesellschaftliche Phänomene aus einem grundlegenden menschlichen Streben nach „resonanten“ Beziehungen zu er­klären.

Der Begriff der Resonanz wird dabei aus der Physik übernommen, um eine Subjekt-Objekt-Bezie­hung als schwingendes System zu beschreiben, in dem beide Seiten sich wechselseitig anregen. Im Gegensatz zur physikalischen Bedeutung des Wortes geben sie hier jedoch nicht lediglich den emp­fangenen Klang zurück, sondern sprechen „mit eigener Stimme“. Dabei konstituieren sich die Be­ziehungsfähigkeiten der Subjekte und ihre intersubjektiven Strukturen überhaupt erst aus solchen Resonanzerfahrungen bzw. deren Abwesenheit. Verdeutlicht wird dies an der primären Beziehung des Neugeborenen zu seiner Bezugsperson, an deren Aufnahme oder Zurückweisung von Interaktio­nen sich die grundlegenden Beziehungsmuster herausbilden. Mit dem so verwendeten Begriff der Resonanz wird versucht, einen von kulturellen Wertungen und Vorannahmen möglichst freien Zu­gang zu der Frage gelingender Beziehungen von Subjekt und Welt im Sinne des „guten Lebens“ zu finden.

Schenkökonomie > Gabe

Die Schenkökonomie ist ein soziales System, in dem Güter und Dienstleistungen ohne direkte oder zukünftige erkennbare Gegenleistung weitergegeben werden, tatsächlich allerdings meist mit verzögerter Reziprozität. Auf längere Sicht handelt es sich dann um eine Form von Tauschen, die sich aber vom Tauschhandel unterscheidet – man spricht von Gabentausch als Gegensatz zum Warentausch. Die Schenkökonomie gründet sich häufig auf dem Prinzip allgemeiner Solidarität. Ursprünglich wurde der Begriff für ein Phänomen in Stammesgesellschaften verwendet. Wissenschaftlern ist es gelungen, den Gabentausch auch in gegenwärtigen Kulturen nachzuweisen.

Das Geben und Nehmen ohne Verrechnung ist eine radikale Alternative zur herkömmlichen Wirt­schaft, die auf dem Äquivalenztauschprinzip basiert. Auch der Begriff »Schenkökonomie« wird hier verwendet. Dabei kommt es darauf an, dass die Beteiligten nicht nach Belieben handeln, sondern Verabredungen treffen. Diese Regeln schützen davor, dass die Freiheit des Nehmens ausgenutzt wird. So begrenzen zum Beispiel Umsonstläden die Anzahl der Dinge, die eine Person mitnehmen darf.

Shareconomy

Dass Menschen solidarisch miteinander teilen, ist nichts Neues. »Nutzen statt besitzen« ist das pro­grammatische Credo der aktuellen Shareconomy. Dies schone die Umwelt und mache glücklich. Die gemeinschaftliche Nutzung von Werkzeugen, Büchern oder Kleidung wird meist digital organi­siert und auch als KoKonsum bezeichnet. Mit Geschäftsmodellen wie Zimmervermittlung oder pri­vatem Auto-Teilen werden jedoch immer mehr Alltagsbereiche kommerzialisiert. Die Betreiber der Onlineplattformen und ihre Investoren verdienen an Vermittlungsgebühren und am Datenhandel.

Solidarische Ökonomie

Im engeren Sinn wird unter solidarischer Ökonomie gemeinschaftliche wirtschaftliche Selbsthilfe verstanden. Sie basiert wesentlich auf sozialen Beziehungen und Selbstorganisation. Ihr Ziel ist die Erfüllung von Bedürfnissen, nicht die Gewinnmaximierung. Da Solidarität auf Gegenseitigkeit be­ruht, ist die Frage wichtig, wer mit wem solidarisch ist, wessen Interessen verfolgt werden und wer ausgeschlossen ist. Im weiteren Sinn kann solidarische Ökonomie als Forderung verstanden wer­den, dass die gesamte Wirtschaft weltweit nicht der Profiterzielung, sondern menschlichen Be­dürfnissen dienen solle.

Soziale Ökonomie

Unter sozialer Ökonomie oder Sozialwirtschaft werden soziale Unternehmen wie Genossenschaf­ten, Vereine und Stiftungen ohne Gewinnerzielungsabsicht verstanden. Der Begriff »sozial« ist nicht mit »Charity« gleichzusetzen, sondern meint »gesellschaftlich«. Auch das Begriffspaar »soziale solidarische Ökonomie« kommt vor.

Soziokratie

Soziokratie ist eine Organisationsform, mit der Organisationen verschiedener Größe – von der Familie, über Unternehmen und NGOs bis zum Staat – konsequent Selbstorganisation umsetzen können. In ihrer modernen Fassung basiert sie auf Erkenntnissen der Systemtheorie. Durch seine Prinzipien wird sichergestellt, dass ein Ignorieren von Spannungen strukturell vermieden wird und im Sinne von gemeinsamen Zielen nachgesteuert wird. Die Mitglieder einer Organisation entwickeln Mitverantwortung kollektiver Intelligenz sowohl für den Erfolg der Organisation als Ganzes als auch für jeden Einzelnen.

strukturelle Gewalt

Physische, psychische, emotionale oder anderweitige Gewalt, die durch gesellschaftliche Strukturen und Lebensweisen entsteht und meist nicht als solche erkannt wird – etwa das Auftreten von Armut, Rassismus, Artensterben, Gentrifizierung oder Sexismus.

Subsistenz

Bezeichnet traditionelle Wirtschaftsweisen, die auf regionale Selbstversorgung anstatt auf die Er­wirtschaftung monetärer Gewinne ausgerichtet sind (von lateinisch subsistentia, »durch sich selbst«).

Traditionelle Wirtschaftsweisen, die auf regionale Selbstversorgung anstatt auf monetäre Gewinne ausgerichtet sind (von lateinisch subsistentia, »durch sich selbst«), lassen sich auch modern denken.

teilgeben

Ein seit kurzem immer öfter zu vernehmendes Wort, in dem das patriarchale Vorurteil, es gäbe z. B. aktive (»gebende«) Vortragende und passive Teil-»nehmende«, sichtbar wird. Indem es ausdrückt, dass alle Akteure beitragende, teilgebende Mitgestalter sind – gleichgültig, welche Funktion oder Aufgabe sie gerade übernehmen –, fordert es jede und jeden dazu heraus, sich der eigenen Gestal­tungsmacht bewusstzuwerden und diese im Sinn einer Gabe* in die Gemeinschaft hineinzugeben.

Transition Town

In der Transition-Town-Bewegung streben lokale Initiativen ein funktionierendes Gemeinwesen in Zeiten von Peak Oil und Klimawandel an. Sie möchten die Energiewende kreativ und gemein­schaftlich voranbringen und Widerstandsfähigkeit für zukünftige Herausforderungen entwickeln.