Landwirtschaft und Klimawandel

Klima und Energie

aus: Wege aus der Hungerkrise

Weil Pflanzen das Klimagas CO2 binden und Böden Kohlenstoff speichern, könnte die Landwirtschaft theoretisch mehr CO2 binden als ausstoßen und so maßgeblich zur Klimarettung beitragen. Vor allem die Rodung und Degradierung von Wäldern, die Freisetzung von Kohlenstoff aus Ackerböden und der Ausstoß der hochpotenten Klimagase Methan (CH4, 20-facher CO2-Effekt) und Lachgas (N2O, 300-facher CO2-Effekt), das allein zwischen 1990 und 2005 um 17% anstieg, sind dafür verantwortlich, dass sie stattdessen heute zu den größten Klimasündern gehören.

Zählt man zu den vom Weltklimarat (IPCC) direkt der Landwirtschaft und Landnutzung zugeschriebenen 31% die gewerblichen und privaten Emissionsanteile für Produktion, Verarbeitung, Transport, Verteilung, Kühlung, Zubereitung und Entsorgung von Lebensmitteln und anderen Agrarprodukten hinzu, ergibt sich, dass rund 40% aller menschlichen Klimagasemissionen von der Art und Weise abhängen, wie wir uns ernähren und Landwirtschaft betreiben. Für das Jahrhundertziel, die Erderwärmung durch eine Reduktion der Emissionen um weltweit 50% auf etwa 2 Grad zu begrenzen, ist der Beitrag der Landwirtschaft entscheidend.

Die Klima-Bilanz unterschiedlicher Anbaumethoden und Ernährungssysteme klafft weit auseinander. In der Regel sind arbeitsintensivere und kleinteilige Strukturen klimafreundlicher als industrielle Monokulturen; ebenso der lokale und direkte Verbrauch im Vergleich zu aufwändigen Verarbeitungsketten und Vertriebswegen.

Das größte Einsparpotential sieht der Weltagrarbericht in einer klimaschonenderen Bodenbewirtschaftung: Ackerland darf nicht brach liegen, sollte stetig begrünt sein und nicht mehr und tiefer gepflügt werden als unvermeidlich. Der systematische Aufbau des Humusgehaltes der Böden erhöht ihren Kohlen-stoff-Speicher und zugleich die Fruchtbarkeit. Erntereste sollten hierfür genutzt werden, anstatt sie offen verrotten zu lassen. Gründünger sollte Kunstdünger ersetzen, biologische Schädlingskontrolle den Einsatz von Pestiziden. Weitere Abholzung muss vermieden, nicht genutztes Land wieder aufgeforstet werden. Die Integration von Bäumen in die landwirtschaftliche Produktion durch Agrarforstwirtschaft kann einen wesentlichen Beitrag leisten. Als vordringliches Ziel fordert er, die Abhängigkeit der Landwirtschaft von fossilen Brenn- und Treib-stoffen drastisch zu reduzieren. Gewaltige Potentiale liegen auch in Optimie-rung und Ersatz pflanzlicher Brennstoffe wie Feuerholz.

Viele dieser Maßnahmen reduzieren nicht nur die Emissionen, sondern helfen auch, die Landwirtschaft besser an künftige Klimaveränderungen anzupassen, Ressourcen zu schonen und Biodiversität zu erhalten. Häufig können sie zudem wirtschaftlichen Gewinn bringen. Um die nötige Dynamik einer klima-freundlichen Agrarwende global in Gang zu bringen, ist es sinnvoll, sich zunächst auf solche sogenannten win-win-Maßnahmen zu konzentrieren. Dabei betont der Weltagrarbericht, dass einzelne Maßnahmen den jeweiligen lokalen Bedingungen angepasst sein müssen und nicht allein unter Klimaaspekten zu bewerten sind. Vor allzu einfachen und globalen Rezepten wird auch in diesem Zusammenhang ausdrücklich gewarnt.

Ein weltweit sicheres Rezept ist freilich die Steigerung der Effizienz bei der Frage: Wie viele Kilokalorien Energieeinsatz erfordert die Produktion einer tatsächlich verbrauchten Kilokalorie Lebensmittel? Solange in den USA und der EU 30 bis 50% aller Lebensmittel in Fabriken, Handel, Restaurants und Privathaushalten einfach weggeworfen werden, sind hier die größten Effizienzsprünge möglich.

Obwohl sie der wichtigste Faktor bei Klimaemissionen und möglicher CO2-Speicherung ist, blieb die Landwirtschaft bisher bestenfalls ein Stiefkind nationaler wie internationaler Klimaschutzstrategien. Die meisten Agrarsubventionen der Industrieländer fördern weiterhin Anbau- und Produktionsmethoden, Konsumgewohnheiten und Handelsströme, die das Klima zusätzlich aufheizen. Konzepte zur Ernährungssicherung in Entwicklungsländern verfolgen noch immer überkommene Strategien der Ertragssteigerung durch erhöhten Energieaufwand. Der Weltagrarbericht fordert eine grundlegende Anpassung der Agrar- und Handelspolitik an die Klimaziele der Weltgemeinschaft. Emissionsarme und Kohlenstoff speichernde Anbaumethoden, aber auch klimafreundlichere Produktions- und Verbrauchsformen müssten in die laufenden Klimaschutzverhandlungen aufgenommen werden.

Zu den wichtigsten Beiträgen der Landwirtschaft zum Klimawandel gehören folgende:



Die höchsten Treibhausgas-Emissionen sind generell mit den intensivsten Bewirtschaftungssystemen verbunden.


31% aller Klimagasemissionen schreibt der Weltklimarat (IPCC) unmittelbar der Landwirtschaft und der von ihr verursachten Landnutzung zu. Hinzu kommen die in anderen Sektoren (Industrie, Transport, Energieproduktion und Abfall) enthaltenen Anteile der Agrar- und Lebensmittelproduktion und ihres Verbrauchs.




Die Landnutzung bestimmt die Kohlenstoff-Speicherfähigkeit von Boden und Vegetation. Das Verhältnis der Fläche zum Kohlenstoffspeicher zeigt: Nur Wüsten speichern noch weniger als Ackerflächen. Die systematische Verbesserung der Speicherung bietet ein erhebliches Potential. “Kohlenstoffspeicherung in Böden kann global 5 bis 15% der jährlichen fossilen CO2-Emissionen kurzfristig ausgleichen”, schätzt der Weltagrarbericht.



Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt, S. 48-49
zitiert nach Arbeitshilfe Klimawandel

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation treffen besonders die Landwirtschaft. Unter Veränderungen der Temperatur und der Niederschläge wird gerade der Ackerbau leiden, wie er auch anfällig ist für die Zunahme von Insekten und Schädlingen, für Wassermangel und Bodenverschlechterung. In vielen Regionen wird sich das Trinkwasseraufkommen vermindern. Bei Getreidepflanzen steigen in manchen gemäßigten Zonen bei einem leichten Temperaturanstieg zunächst die Erträge, während sie bei größerer Temperaturzunahme dann sinken werden. In den meisten tropischen und subtropischen Regionen werden dagegen die Erträge voraussichtlich schon bei minimal höheren Temperaturen zurückgehen, weil die Pflanzen dort schon jetzt am Temperaturoptimum angebaut werden. Mit einer um ein Grad höheren Tagestemperatur sinkt zum Beispiel der Ertrag der Reispflanze um zehn Prozent. So ist in niederen Breitengraden bereits bei einer Erwärmung bis zu zwei Grad generell mit erhöhter Ernährungsunsicherheit zu rechnen. Noch größere Auswirkungen wird es in Gebieten geben, wo die Niederschläge stark zurückgehen, also besonders in den Trockengebieten und in Regionen mit Regenfeldbau wie etwa dem Sahel, dem Horn von Afrika, den mittleren Anden oder Teilen Zentralasiens, Ostasiens und Südafrikas. ... Dass der Klimawandel die biologische Kapazität der Erde in Mitleidenschaft zieht, bekommen besonders jene Menschen zu spüren, die armutsbedingt sowieso schon sehr anfällig sind, also das Gros der ländlichen Bevölkerung der südlichen Hemisphäre.