Agrotreibstoffe

Vortrag zu Workshop 4 „Agrotreibstoffe und Energie“, 24.8.2011 von Christoph Schwager

Einführung

Wir haben das globale Ölfördermaximum erreicht oder bereits überschritten. Dieser Punkt ist als „Peak Oil“ bekannt. Ab jetzt werden die tatsächlichen Fördermengen abnehmen – und zwar auch dann, wenn neue Ölfelder gefunden und erschlossen werden. Der Ölpreis wird immer schneller steigen und mit ihm auch alle Produkte und Dienstleistungen, die vom Öl abhängig sind. Überlegen Sie selbst, welche das sein könnten. Besonders getroffen werden zunächst diejenigen, die die höheren Preise nicht mehr bezahlen können.

Aber selbst höhere Kaufkraft verhindert nicht, daß das Öl irgendwann definitiv zu Ende ist. Es sind nicht mehr die Mengen vorhanden, um Maschine, Industrien, Autos, Flugzeuge oder Schiffe damit zu betreiben.

Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, erschien im vergangenen Jahrzehnt vielen Regierungen deshalb als grüner Königsweg, um die Abhängigkeit von fossiler Energie und den Ausstoß von Klimagasen zu reduzieren und gleichzeitig der Landwirtschaft neue Absatzmärkte zu erschließen. Staatliche Beimischungs-Vorgaben und Subventionen für die Verarbeitung von Mais und Raps zu Treibstoff haben vor allem in Europa und Nordamerika einen regelrechten Boom ausgelöst. Für Brasilien, Malaysia und Indonesien wurden Zuckerrohr und Palmöl als “Biosprit”-Rohstoffe zu vielversprechenden Exportgütern. Afrikas ungenutzte Agrarflächen gelten manchen Zukunftsstrategen als gelobtes Land der Produktion nachwachsender Treibstoffe.

Viele Quelle sprechen von einem enormen Potential der Agroenergie, manche schwärmen davon, daß bis zum Dreifachen des Weltenergiebedarfes gedeckt werden könnte. Andere sind viel vorsichtiger und differenzierter.

Die Notwendigkeit zur Differenzierung beginnt bereits bei der Kategorisierung. Häufig werden die Gruppen Kernenergie, fossile Energieträger und erneuerbare Energien unterschieden. D.h. in der Diskussion werden die erneuerbaren Energien pauschal zusammengefaßt und gemeinsam behandelt. Sie sind jedoch sehr verschieden voneinander. Zu den Erneuerbaren gehören Solarthermie, Photovoltaik, Wind, Wasser (streng genommen müßten Flüsse (Staudämme) und Meer (Wellen, Gezeiten, Strömungen) unterschieden werden), Biomasse und Geothermie. Es werden meist unterschiedliche Energieträger bzw. Energiequellen gegeneinander aufgerechnet und betrachtet, inwieweit sie einander ersetzen können. Ein besonders wichtiger Posten ist aber die Energieeinsparung – letztlich auch bei den Erneuerbaren. Die Studie stellt unmißverständlich fest: „Erneuerbare Energien dürfen unter keinen Umständen die Verschwendungswirtschaft stabilisieren.“

Auch die Biomasse selbst ist sehr verschieden. Heute Abend sprechen wir vor allem über Agrotreibstoffe.


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Was sind Agrotreibstoffe?

Agrotreibstoffe sind Treibstoffe, die durch landwirtschaftliche Aktivität aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Sie stehen damit im Gegensatz zu fossilen Rohstoffen wie Erdöl, Kohle oder Erdgas. Neben den Agrotreibstoffen gibt es weitere Energieträger und Energieformen auf pflanzlicher oder tierischer Basis: es gibt brennbare Gase und Feststoffe wie Holz, Stroh oder Viehdung, aus denen Wärme und ggf. elektrischer Strom gewonnen werden können.
Historisch von Bedeutung waren auch tierische oder pflanzliche Öle, Fette und Wachs für Licht, also Öllampen und Kerzen.
Die wohl bedeutendste Energiequelle war und ist das Holz. Es wurde nur zu einem kleinen Teil forstwirtschaftlich erzeugt, meist stammte es aus Urwäldern oder wildwachsenden Gehölzen. Die Nutzung des Holzes hat eine eigene Problematik.
Ich konzentriere mich zunächst vor allem auf die Nutzung als Treibstoff, d.h. zum Einsatz in Motoren und den Betrieb von Maschinen. Auf die Nutzung von sogenanntem Biogas zur Stromgewinnung gehe ich später ein.

Seit ca. 30 Jahren werden verstärkt Energiepflanzen landwirtschaftlich angebaut.
Zu den wichtigsten Energiepflanzen gehören ölhaltige Pflanzen wie Ölpalme, Jatropha, Raps und Soja, sowie stärke- bzw. zuckerhaltige Pflanzen wie Zuckerrohr, Maniok, Mais, Weizen, Gerste und anderes Getreide.
Die ölhaltigen Pflanzen werden durch Veresterung in Biodiesel verwandelt. Dieser kann herkömmlichen Diesel ersetzen. Die stärkehaltigen Pflanzen werden dagegen vergärt und es entsteht ein Alkohol, nämlich Bioethanol. Dadurch kann Benzin teilweise ersetzt werden.
Diese Stoffe können teilweise direkt in Motoren verwendet werden, meist sind jedoch technische Anpassungen erforderlich. Die Verarbeitung erfolgt teils in großtechnischen Anlagen, also Raffinerien.

Bei dieser ersten Generation von Agrotreibstoffen kann ein großer Teil der Pflanzen nicht für die Energiegewinnung genutzt werden. Diese Teile werden somit als Nebenprodukt meist verfüttert oder als Dünger wieder auf dem Feld ausgebracht. Ob das ein Nachteil oder Vorteil ist, sei zunächst einmal dahingestellt.

Dieses Problem besteht bei der sogenannten zweiten Generation nicht. Hier wird Ethanol aus Zellulose gewonnen, das in Pflanzenresten und Biomüll vorkommt. Es könnten also theoretisch alle Pflanzenteile – und alle Pflanzenarten – genutzt werden. Das Verfahren wirft aber noch technische Fragen und Wirtschaftlichkeitsprobleme auf, weil sich die Zellulosestrukturen nur schwer aufspalten lassen. Experten prognostizieren, dass frühestens in zehn Jahren aus Zellulose gewonnene Treibstoffe auf den Markt kommen werden.

Entwicklung von Agrotreibstoffen weltweit

Weltweit nimmt der Anbau von Energiepflanzen stark zu.

Nach Jean Ziegler haben die USA im Jahr 2008 fast die Hälfte ihrer Maisernte in Höhe von 138 Millionen Tonnen zu Kraftstoff verarbeitet. Hinzu kommen Hunderte Millionen Tonnen von Getreide (also meist Weizen). Zum Vergleich: Deutschland hatte im Jahr 2008 eine Gesamternte von 50 Millionen Tonnen Getreide einschließlich Mais. Bis 2010 haben die USA 140 Milliarden Liter Bioethanol hergestellt.

In Deutschland wurden im Jahr 2007 70% der Rapsernte bereits für Kraftstoff eingesetzt.

Anfang 2011 wurde gemäß einer EU-Vorgabe die Benzinsorte E10 eingeführt, die eine 10%ige Beimischung von Bioethanol hat. Ziel ist es, mindestens 10% des gesamten Benzin- und Dieselverbrauches aus Energiepflanzen zu gewinnen.

Diese Mengen kann weder Deutschland noch Europa selbst derzeit erzeugen. Deshalb werden in großem Stil Soja, Palmöl und Bioethanol aus Zuckerrohr importiert, vorwiegend aus Brasilien, Indonesien und Malaysia. Der BUND stellt dazu fest: „Für die Zielerreichung von 10% Agrokraftstoff-Beimischung für die gesamte EU würden außereuropäische Anbauflächen von 15,6 Millionen Hektar benötigt, für Deutschland allein 2,2 Millionen Hektar.“ Zum Vergleich: landwirtschaftliche Gesamtfläche Deutschlands 2007: 16,9 Millionen Hektar, davon 11,8 Millionen Hektar Ackerland.

Die Nachfrage nach Agrotreibstoffen wächst. Auch die Flugzeuge sollen in Zukunft damit angetrieben werden.

Über das vorhandene Flächenpotential wird heftig diskutiert. Angeblich sollen „ungenutzte“ Flächen verwendet werden. Aber es gibt wohl kaum wirklich „ungenutztes“ Land, sondern nur anders genutztes – und sei es als ökologisch wichtiger Raum, z.B. Regenwald. Selbst stillgelegte Flächen haben eine Nutzung, es wachsen nämlich andere Pflanzen darauf. Insbesondere degradiertes Land kann nicht zur Produktion von Energiepflanzen verwendet werden, solange die Produktion unter Bedingungen der Intensivlandwirtschaft stattfindet (s.u.).

Bewertung der Bioenergien

Bei der Bewertung der Bioenergien sind zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Wirtschaftlichkeit, die Klimaverträglichkeit, der Einfluss auf die Ökologie (Biodiversität) und die Flächenkonkurrenz gegenüber der Nahrungsmittelerzeugung. Da diese Aspekte oft im Widerspruch zueinander stehen, führt die Bewertung meist nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Zudem ist keine einheitliche Bewertung für alle Bioenergien möglich, da sich die einzelnen Energien in Bereitstellung, Nutzung, Wirkungsgraden, Emissionen etc. stark unterscheiden. Verwirrung kann entstehen, wenn relative Bewertungen vorgenommen werden, nämlich im Verhältnis zu anderen Energieträgern. Je schlechter die dastehen, desto mehr erstrahlt der Stern der Bioenergien. Das macht aber nicht unbedingt viel Sinn.


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Vorteile

So weit die Theorie. Die Praxis sieht jedoch anders aus.
Sehen wir einmal genauer hin.

Klima und Ökobilanz

Rodungen

In Brasilien, Indonesien und Malaysia werden in großem Stil Regenwälder gerodet, um Flächen für die Energiepflanzen zu schaffen. Damit werden viele Tiere und Pflanzen vernichtet, vor allem aber deren Lebensräume. Wir erleben derzeit eines der größten Massensterben von Pflanzen- und Tierarten in der Erdgeschichte, also seit einer Milliarde Jahren.
Der Anbau von Energiepflanzen trägt damit zur Zerstörung von global wichtigen ökologischen Räumen bei.

Grünlandumbruch

In Deutschland werden zwar keine Regenwälder gerodet, aber es gibt Umbruch von Dauergrünland und den Anbau von Mais auf Böden, die fast nicht mehr bearbeitbar sind.
Das steht oft im Konflikt mit Naturschutzzielen (Arten, Ökotope, Habitate, Eutrophierung, Verschmutzung).

Monokulturen

Die relevanten Energiepflanzen werden fast ausschließlich in gewaltigen Monokulturen gepflanzt mit all ihren ökologischen Nachteilen: Einsatz von Pestiziden, Düngemitteln, Ausräumung der Landschaft und Zerstörung von Lebensräumen. Monokulturen sind anfällig gegen Schädlinge oder Pilzbefall und werden deshalb besonders intensiv mit chemischen Mitteln behandelt. Die Ausräumung der Landschaft führt zu verstärkter Bodenerosion.
Die Bearbeitung erfolgt mit industriellen Mitteln unter hohem Maschineneinsatz. In Brasilien sind für die Bearbeitung von 1000 Hektar gerade mal 10 Arbeiter erforderlich. Die Maschinen verdichten den Boden und führen zu Erosion.

Sortenarmut, Biodiversität Monokulturen bedeuten Sortenarmut sowohl der kultivierten Pflanzen als auch der Begleitflora und –fauna. Die Artenvielfalt wird massiv reduziert. Komplexe ökologische Gefüge werden zerstört.
Gefördert wird das zusätzlich durch fehlenden Fruchtwechsel, was bei Mais die Regel ist. D.h. es wird Jahr für Jahr immer wieder der gleiche Mais angebaut ohne eine andere Frucht.
Meist handelt es sich um nicht ortstypisches, lokal angepaßtes Saatgut.
Beispiel: Brutfalle Mais. Kibitze sind Bodenbrüter und bauen ihr Gelege kurz nach der Saat des Maises. Der Mais wächst aber sehr schnell in die Höhe und überwuchert das Gelege, so daß die Aufzucht der Jungen gefährdet wird. Der Kibitz gehört zu den gefährdeten Arten.

Gentechnik Schlimmer noch: Energiepflanzen sind ein großes Einfallstor für gentechnisch verändertes Saatgut. Praktisch das gesamte Soja und Mais für Agrotreibstoffe sind genetisch verändert.
Es gibt in den USA keine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderten Mais. Er ist deshalb nicht von konventionellem Mais zu unterscheiden, und eine Vermischung mit anderem Saatgut oder Lebensmittel-Mais ist vorprogrammiert.
Eine Vermischung findet aber auch biologisch statt, denn Mais ist – wie alle Getreidearten - ein Windbestäuber, d.h. die Pollen fliegen sehr weit und kontaminieren auch konventionelle Sorten.
Das Landschaftsbild verarmt auch in ästhetischer Hinsicht durch die Eintönigkeit der Monokulturen und die Ausräumung von landschaftsbildenden Elementen.

Wasserhaushalt und Lokalklima Der natürliche Wasserhaushalt kann durch den Intensivanbau und Monokulturen verändert werden.
Regenwälder sind hervorragende Wasserspeicher und wirken ausgleichend. Bis zu 75% des Niederschlages kommt aus dem Wald selbst. Die Rodung von Regenwäldern fördert daher die Austrocknung. Mit der geringeren Verdunstung gibt es auch weniger Abkühlung. Große Felder bieten kaum Windwiderstand, was die Ausblasung von Boden erleichtert. Das lokale Klima wird verändert.

Degradation Die intensive Anbauweise von industriellen Energiepflanzen kann zu Bodendegradation führen, ein Sammelbegriff für Bodenschädigungen durch Erosion, Strukturverlust, Humusverlust, Nährstoffverlust, Verlust an Bodenleben usw. Das ist besonders deshalb erwähnenswert, weil von Lobbyisten gern behauptet wird, daß ausgerechnet der Anbau von Energiepflanzen auf degradierten Böden zu deren Verbesserung beitragen könnte. Das ist eine dreiste Falschdarstellung. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Namensbestandteil „Bio“ bei der Bioenergie ist also irreführend.


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Auswirkung auf Strukturen der Landwirtschaft

Die Produktion von Energiepflanzen ist heute auf den nationalen und den Weltmarkt ausgerichtet statt für lokalen Bedarf. Sie ist kapitalintensiv und wird von großen Investoren und internationalen Konzernen getragen, die Zugang zu Kapital und den Weltmärkten haben.
Kleinbauern, die traditionell Lebensmittel für den Eigenbedarf anbauen, haben da keine Chance. Industrielle Produktion von Agrotreibstoff ist für kleinbäuerliche Strukturen nicht geeignet. Dabei gibt es, wie die Studie (S. 60) feststellt, durchaus „eine hohe Affinität zwischen erneuerbaren Energien und dezentralen Wirtschaftsstrukturen“.

Aktuell findet besonders in Brasilien, Indonesien, Malaysia und Afrika eine massive Veränderung der landwirtschaftlichen Strukturen statt. Viele Kleinbauern müssen aufgeben und werden von ihrem Land verdrängt. Ein kleiner Teil von ihnen kann als abhängige Arbeiter auf den großen Betrieben arbeiten.

Mit der kleinbäuerlichen Kultur gehen auch die Vielfalt des lokalen Wissens, von angepaßten Sorten und Anbauverfahren verloren. Es gehen aber auch viele Arbeitsplätze verloren. Abertausende Menschen, die zuvor zum großen Teil von Subsistenz und damit außerhalb der Marktwirtschaft gearbeitet und gelebt haben, werden nun in ein Erwerbsarbeitsverhältnis gezwungen und zur Migration in die Stadt, wo es aber auch keine Arbeit gibt.

Mit dem Land geht auch die Nahrungsgrundlage verloren. Paradoxerweise leben von der einen Milliarde Hungernden zwei Drittel auf dem Lande. Das verschärft sich weiter.

Auch in Deutschland wird immer mehr Fläche umgewidmet. Bereits fast ein Viertel der deutschen Ackerfläche ist mit industriellen oder Energiepflanzen bebaut, Tendenz steigend. Dabei ist Deutschland ein Nettoimporteur von Lebensmitteln. (Siehe Graphik nachwachsende Rohstoffe.jpg )


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Humusbilanz, CO2-Bilanz

Die CO2-Bilanz von Energiepflanzen kann theoretisch ausgeglichen sein. In der Praxis ist das jedoch meistens nicht der Fall. Oft ist sie sogar katastrophal schlecht. Das liegt an folgenden Gründen:
Transport, Anbau und Verarbeitung von Energiepflanzen erfordern einen hohen Energieeinsatz. Der wird heute noch zum großen Teil aus fossilen Energieträgern bereitgestellt, z.B. bei der Herstellung von Düngern und Pestiziden. Die Effizienz ist also rel. gering, denn den Energieaufwand muß man von der erzeugten Energie abziehen. "Unterm Strich werden in Europa oft rund 80 Prozent der gewonnenen Bioenergie vorher in Form fossiler Energie investiert", so die ernüchternde Bilanz des OECD-Direktors Stefan Tangermann in einem ZEIT-Interview.
Der Energieaufwand bedeutet jedoch auch eine Emission von CO2.

In Deutschland gibt es eine Nachhaltigkeitsverordnung, die garantieren soll, daß kein Regenwald abgeholzt wird für importierten Agrotreibstoff. Importeure müssen entsprechende Zertifikate vorlegen. Das ist jedoch unbefriedigend. Rodungen können sehr wohl indirekt befördert werden, indem andere Felder ersetzt werden, die dann ihrerseits den Wald verdrängen.

Im natürlichen Humusgehalt des Bodens ist viel CO2 gespeichert und festgelegt. Besonders Grünland und Moore, aber auch Waldböden haben einen hohen Humusgehalt. Ackerland dagegen hat einen deutlich niedrigeren Humusgehalt. Feuchter Boden verlangsamt die Mineralisierung von Humus.
Wenn Grünland umgebrochen oder Moore trockengelegt und in Ackerland umgewandelt werden, so werden große Mengen CO2 freigesetzt. Wälder haben gigantische Mengen an Kohlenstoff in ihrem Holz gespeichert. Die werden bei der (Brand)Rodung in Form von CO2 freigesetzt.
Intakte Böden bauen ihren Humusgehalt durch Zufuhr von organischer Substanz auf, z.B. Blätter, Altholz und sonstige Streu. Bei der beabsichtigten Zweiten Generation von pflanzlicher Energieerzeugung werden fast alle Pflanzenteile verwertet. Es gibt daher praktisch keine organische Substanz mehr. Die Böden werden massiv verarmen.

Konkurrenz Teller – Tank – Trog

Häufig wird versichert, daß es keine Flächenkonkurrenz gebe. Damit wird ein gravierendes Problem verharmlost. Es gibt aber grundsätzlich immer alternative Nutzungsmöglichkeiten, die ausgeschlossen werden, wenn Energiepflanzen angebaut werden.

Berechnungen, die von ungenutzem Land, insbesondere degradiertem Land, ausgehen, halte ich schlicht für unseriös. Wir müssen dagegen immer von bereits genutztem Land ausgehen, das eine Nutzungsänderung erfährt.
Damit muß die Diskussion geführt werden, welche der möglichen Nutzungen wichtiger ist, wem der Nutzen zukommt und wer darüber entscheidet.

Preissteigerungen für Nahrungsmittel

Die Preise für Nahrungsmittel sind bereits wieder auf dem Höchststand von 2008 und sogar darüber. Damals gab es Hungerrevolten und Unruhen in etlichen Ländern der Erde, z.B. Mexiko.
Erhöhte Preise könnten theoretisch für die vielen Kleinbauern von Vorteil sein, wenn sie ihre Produkte zu diesem Preis verkaufen könnten. Doch das ist reine Theorie. Ein großer Teil der Bauern auf dieser Erde produziert für den eigenen Verbrauch und nicht für einen Markt, schon gar nicht den Weltmarkt.

Bereits der Futtermittelanbau für den hohen Fleischkonsum ist eine massive Konkurrenz. Die wird durch die wachsende Nachfrage nach Energiepflanzen zusätzlich verschärft.

„Wollte man den globalen Treibstoffbedarf allein des Straßenverkehrs vollständig aus Energiepflanzen decken, dann ergäbe sich ein Bedarf an Ackerfläche von rund 850 Millionen Hektar – etwa jene Fläche, die in Entwicklungsländern gegenwärtig für den Anbau von Nahrungs- und Faserpflanzen genutzt wird.“ (ZD, S. 49)

Für die zivile Luftfahrt gibt es bisher keine realistische Alternative zu den fossilen Brennstoffen außer Agrotreibstoffe. Da gibt es die ersten Experimente bei Lufthansa. Man stelle sich vor, alle Flugzeuge und Schiffe würden ebenfalls mit Agrotreibstoffen angetrieben, Wie viel Fläche würde dadurch noch benötigt? Und der Flugverkehr soll nach den Prognosen noch erheblich zunehmen.

Für den deutschen Konsum von landwirtschaftlichen Gütern lag die im Jahr 2004 global belegte landwirtschaftliche Fläche etwa 20 Prozent über der inländisch verfügbaren Fläche. (ZD, S. 144)

Längst ist klar: Weltweit ist die Fläche für den Anbau von Energiepflanzen viel zu klein, um den Bedarf an Biosprit zu decken. Die IEEP-Studie rechnet vor: Würde man in Deutschland zehn Prozent der Treibstoffe durch Biosprit ersetzen, würden dafür 27 Prozent der deutschen Ackerfläche benötigt.
(Artikel Bio-Benzin: die Ökomogelpackung, abgerufen 24.8.2011)

Die Ackerfläche, die für 1 Kilogramm Brot benötigt wird, reicht aus um etwa 0,15 Liter Rapsöl zu produzieren. Nutzt man diese Pflanzenenergie als Treibstoff, kann man damit etwa 1,5 Kilometer mit dem Auto fahren. Wenn Sie je nach Gruppengröße mehr oder weniger Brot verwenden, gleichen Sie die Ölmenge im Verhältnis an. Sprechen Sie mit den Teilnehmenden über diese zwei Verwendungsmöglichkeiten von Ackerfläche. Sie können auch ausrechnen, welche Strecke eine Person mit dem Auto hätte fahren können, anstatt das Brot zu essen. (Bei 1 kg Brot und 30 Teilnehmenden wären es 50 Meter pro Person.)
(Quelle: Arbeitshilfe Agrotreibstoff)

Für eine 50-Liter-Tankfüllung eines Biospritautos müssen 358 Kilo Mais verbrannt werden. Mit dieser Menge lebt ein Kind in Sambia oder Mexiko ein Jahr lang.
(Quelle: Jean Ziegler in Broschüre Hunger im Überfluß)

Was ein Mensch in einem Jahr zur Ernährung an Getreide benötigt, ergibt gerade einmal 120 Liter Agrotreibstoff – zwei Tankfüllungen.
(Quelle: Cornelia Füllkrug-Weitzel, Direktorin „Brot für die Welt“, zitiert nach Arbeitshilfe Agrotreibstoff)


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Landgrabbing, Gerechtigkeit, Verteilung, Macht

Flächenimport
Es gibt bereits jetzt nicht ausreichend Fläche in Deutschland und Europa für die Produktion von Agrotreibstoffen. Wir importieren nicht nur Futtermittel, sondern auch zunehmend Energiepflanzen. Bei der beabsichtigten Erhöhung des Agro-Anteiles wird noch viel mehr Fläche benötigt, und die kann nur in Afrika, einigen Ländern Asiens oder in Südamerika zu finden sein. Das bedeutet, daß etliche Länder – darunter Deutschland – landwirtschaftlich wertvolle Flächen in anderen Ländern für sich beanspruchen. Woher nehmen wir eigentlich die Legitimation, anderen Menschen das Land vorzuenthalten?

Landkauf
Allein 2009 gingen laut Weltbank 49 Millionen Hektar Land an Investoren, eine Fläche so groß wie ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche der EU. Als Käufer treten Staaten wie z.B. Saudi Arabien, Katar oder China auf, große Konzerne oder Großinvestoren. Es geht dabei um Transaktionen in Größenordnungen von Hunderttausenden Hektaren oder gar Millionen.
In einigen Ländern Afrikas wurden eigens Behörden geschaffen für den Verkauf.

Spekulation und Handel von Land in großem Stil an der Börse und – schlimmer noch, weil unkontrollierbar – außerhalb der Börse auf speziellen Konferenzen.

Preissteigerung für landwirtschaftliches Land bei uns und global.

Privatisierung eines Gemeingutes.

Vertreibung der Menschen.
Beispiel: Laut Victoria Tauli-Corpuz, der Vorsitzenden des Ständigen Forums der Vereinten Nationen für Indigene Frauen, sind allein in der indonesischen Provinz West- Kalimantan fünf Millionen Menschen von Vertreibung bedroht. Das geht manchmal auch mit kriminellen Methoden einher. Dabei ist Vertragsbrüchigkeit noch eine milde Form. Im Extremfall kommt auch Mord vor.


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Fazit

Die Produktion von Agrotreibstoffen erfolgt aus dem gängigen Systemdenken heraus: möglichst viel Profit erzielen. Es geht nicht um ökologische oder soziale, ja nicht einmal volkswirtschaftliche oder energetisch sinnvolle Aspekte. Die sind allenfalls ein willkommener Nebeneffekt.

So, wie heute Agrotreibstoffe produziert werden, führt das direkt zu Hunger, Elend, ökologischer Zerstörung und Vertreibung für sehr viele Menschen auf dieser Erde.

Forderungen an Produktion von Agrotreibstoffen

Also alles nur schlecht? Nein.
Energiepflanzen und Agrotreibstoffe sind nicht per se abzulehnen. Vielmehr sind die Rahmen- und Produktionsbedingungen problematisch. Unter bestimmten Bedingungen sind Energiepflanzen sinnvoll und positiv zu bewerten.

persönliches Plädoyer

Es ist töricht, einfach nur fossile durch andere Energieträger zu ersetzen und ansonsten alles zu lassen wie es ist: eine auf Wachstum ausgerichtete, energiehungrige Wirtschaft fortsetzen.

Wir brauchen weniger Energie, Produktion, Wachstum

Grundproblem ist, daß ein falsches System aufrecht erhalten werden soll: es soll Geld und Gewinn erwirtschaftet werden – es geht nicht primär um einen sinnvollen Nutzen. Wir brauchen ein System, das den wirklichen Bedarf – den Nutzen also – in den Mittelpunkt stellt und das Geld in eine dienende Funktion verweist.

Quellen

Studie Zukunftsfähiges Deutschland (ZD)
Brot für die Welt: Arbeitshilfe zur Studie
Brot für die Welt: Hunger im Überfluß
Wege aus der Hungerkrise (Zusammenfassung Weltagrarbericht)
BUND: Für Fleisch nicht die Bohne. 2008
Wikipedia
Atlas der Globalisierung. Le Monde diplomatique


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