aus dem Gemeindebrief, Oktober 2012, C. Schwager


Blick aus der Zukunft

Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen
Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen,
Wie man schneller sägen könnte, und fuhren
Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen,
Schüttelten die Köpfe beim Sägen und
Sägten weiter.

Bertold Brecht

Wenn Sie aus dem Jahr 2200 auf unsere heutige Zeit blicken könnten – was würden Sie sehen? Was wäre historisch und für die Menschheit bedeutsam? Welche Fragen würden gestellt über unsere heutige Zeit?

Vielleicht betrachten Sie im Geschichtsatlas die ehemaligen Küstenlinien von 2010, die jetzt weit draußen im Meer liegen, und fragen ungläubig: „Wie konntet ihr das zulassen? Ihr wußtet es doch!“ Vielleicht wird nur wenigen Wissenschaftlern überhaupt verständlich sein, welche Motive gewirkt haben und warum die Menschen willig mitgemacht haben bei der Zerstörung der Kulturen und der Lebenswelt. Vielleicht wird aber auch diese zurückliegende Zeit als das Ende einer relativ kurzen historischen Periode namens „Kapitalismus“ oder „Kannibalismus“ (=Weltverzehr) betrachtet werden – ein kultureller und ökologischer SuperGAU.

Der Sozialpsychologe Prof. Harald Welzer schreibt: „…die große Transformation, die ansteht, gleicht in ihrer Tiefe und Breite historischen Achsenzeiten wie den Übergängen in die Agrargesellschaft und in die Industriegesellschaft. […] Am Horizont steht eine postkarbone Gesellschaft mit radikal veränderten sozialen, politischen und kulturellen Parametern.“

Radikal, von Grund auf, von den Wurzeln her anders!

Es wird nicht um kleine Fragen gehen wie Euro oder nicht Euro. Sondern eher: Wird es überhaupt noch Geld geben – in der Form, wie wir es heute kennen? Es wird nicht um Autos mit etwas geringerem Energiebedarf gehen. Sondern eher darum, wie eine Welt weitgehend ohne Autos, Flugzeuge, Highways usw. aussieht.

Statt Erwerbsarbeit und Profitstreben werden sinnvollere Formen der Verteilung von gesellschaftlichem Reichtum entwickelt. Denn: es ist genug für alle da!

Heutige Vorstellungen, nach denen prinzipiell die ganze Welt einem einzigen Menschen gehören dürfte, werden völlig neuen Eigentumsbegriffen Platz machen, z.B. Gemeingüter.